Heckstrasse 33

hier erlebte ich meine Kindheit

Im letzten Jahr arbeitete ich an einer Studie, die sich mit der heutigen Lebenssituation der Menschen über 50 befasst.
Darin gibt es eine Frage, bei der ich automatisch an meine eigene Kindheit zurückdenke.

Man soll sich an die Wohnsituation erinnern, als man selber 10 Jahre alt war. Dann werden einige Dinge aufgeführt, die heute zum Standard gehören. Also, hatte ihre elterliche Wohnung damals:

fließendes kaltes Wasser
fließendes warmes Wasser
eine eigene Toilette
ein eigenes Bad
eine Heizung

Natürlich denkt man dabei automatisch an die eigene Wohnung zurück.

So werde ich heute einmal versuchen, unsere Wohnsituation zu beschreiben.
Die, als ich 10 war natürlich 😉

Wir wohnten damals in der Heckstraße 33, gleich gegenüber vom Friseursalon Hartmann und dem Kapellenhof.

Unsere Wohnung lag im Erdgeschoss und war die größte in diesem Haus.
Über uns wohnte meine Kindheitsfreundin Ulrike Rossbach mit ihren Eltern auf der rechten Seite, und gegenüber auf dem gleichen Flur, ihre Großeltern, die Eheleute Immand. Darüber dann Familie Schick auf der einen Seite und gegenüber Frau Simon. Das war glaube ich, die Mutter von Frau Schick.

Jede Partei hatte zwei Zimmer, von denen man jedes nur über den Hausflur erreichen konnte. Meine Familie hatte dagegendie gesamte Erdgeschossetage mit 4 Zimmern. Je zwei Zimmer wurden durch einen, vom eigentlichen Hausflur provisorisch abgeteilten, Zwischenflur getrennt.

So ergab sich eine völlig abgeschlossene Wohnung.
Man kam in die Küche, ging durch ins Wohnzimmer, dann durch den „Flur“ zwei Stufen hoch ins Schlafzimmer und zwei Stufen runter ins Kinderzimmer. Davon abgeteilt hatten wir unseren ganz besonderen Luxus:

    Eine eigene Toilette.

Die hatte mein Vater selber angelegt. Er war ja damals Maurer und handwerklich sehr begabt- Er hat eine richtige Wand ins Kinderzimmer gemauert mit einer richtigen Tür, so, wie es sein muss. Und dahinter befand sich unser Klo.

    Mit einer Wasserspülung!

Alle anderen Hausbewohner hatten zwar auch eins, aber das war ein Plumsklo draussen im Hof. Also ein Holzbrett, wie eine Bank, mit einem runden Loch und einem Holzdeckel, der es abdeckte, damit es, besonders im Sommer, nicht zu sehr stank.

Man musste durch die Haustür, über die Gasse, das hohe Holztor aufschließen, dass den Zugang zum ummauerten Hof versperrte, dann noch neben den Ställen das Vorhangschloß zum Plumsklo öffnen und wenn es dann noch nicht zu spät war, konnte man sich endlich erleichtern. 😉
Alle paar Tage ging jemand runter, um einen Eimer Wasser reinzukippen.
Aber sie hatten auch einen Nachttopf. Der stand im Hausflur, denn der wurde sozusagen mit bewohnt. Oft bekam ich mit, wenn sie ihn benutzten. Am Abend, oder bei besonders schlechtem Wetter.

Ich glaube, sie waren ganz schön neidisch, dass wir ein eigenes Wasserklosett hatten. Früher hieß das jedenfalls so, da sagte man nicht „Toilette“ sondern „Klo“ oder etwas gewählter „WC“.
Aber meine Mutter wäre wohl niemals dort eingezogen, hätte sie mit den Nachbarn ein Plumsklo teilen müssen.

Nun ja, wir hatten auch noch unser eigenes Waschbecken in der Küche. Wogegen die Nachbarn nur eines auf jeder Etage im Hausflur hatten. Dort mussten sie sich auch im Winter waschen, und ich nehme an, das war nicht angenehm.

Es war aber zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich, so einfach zu leben. Die allermeisten Leute, die in der Heckstraße wohnten, hatten ähnliche Wohnsituationen und wir alle empfanden das damals als vollkommen normal.
Ich kannte als Kind viele Leute mit einem Plumsklo draußen im Hof.
Eigentlich waren es nur sehr wenige Familien, von denen ich weiß, sie hatten ihre Toilette in der Wohnung.
Und als wir dann 1961 in die Ludgerusstraße, in eine Neubauwohnung umzogen, dachte ich, dass man vollkommener gar nicht leben kann.

    Denn nun hatten wir sogar ein eigenes Bad.

Aber wir hatten immer noch kein fließendes warmes Wasser und keine Heizung. 😦

Ganz besonderen Dank an Gitte, die meine Liebe zu Werden teilt und mir das seltene Foto von der Heckstraße 33 überlassen hat. Ein Besuch auf ihrer Seite lohnt sich!

Published in: on 9. Januar 2010 at 16:50  Kommentar verfassen  
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