als das Christkind uns eine kleine Schwester brachte

Die Vorweihnachtszeit war natürlich in jedem Jahr eine Zeit voller Vorfreude, Wünsche und Hoffnung. Was wird der Nikolaus sagen? Was mag das Christkind wohl bringen? War man artig genug gewesen?
Und natürlich bemühte ich mich, in den letzten Wochen vor Weihnachten auch, besonders gehorsam und lieb zu sein.

1957 war allerdings alles ganz anders, als in den Jahren davor.
In den letzten Wochen hatte ich oft Zucker für den Storch auf die Fensterbank gelegt und so, wie sich alle verhielten, konnte es gut sein, dass das Christkind uns in Stellvertretung ein Geschwisterchen bringen würde.

Eines Tages, Anfang Dezember, sollte ich zu Oma Reinicke, mein Bruder kam zu Oma Klein. Aus heutiger Sicht wäre es anders herum sinnvoller gewesen, weil die Oma Klein nur 3 Minuten von der Heckerschule entfernt in der Hufergase wohnte und von Oma Reinicke aus hatte ich einen mindestens halbstündigen Weg dorthin, aber vielleicht haben die Erwachsenen es auch so entschieden, weil ich viel lieber bei Oma Reinicke war.
Aber bei Oma Reinicke gingen die Uhren anders. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hatte eine Kuckucksuhr in der Küche, die immer zu schnell lief und jeden Tag aufgezogen werden musste. Gelegentlich blieb sie auch stehen und wurde dann nach dem Gefühl neu eingestellt. Das Radio wurde selten bis nie angemacht, weil es Strom kostete. Und ihren Wecker stellte Oma in Abstimmung mit der Kuckucksuhr. 😉
So kam es, dass ich jeden Morgen bei Schnee und Eis oft schon vor 6.00 zur Schule ging. Viel zu früh war ich dann dort und natürlich war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Die Schule fing ja auch erst um 8.00 an.
Auch wenn Oma dafür sorgte, dass ich jede Menge Zeugs anhatte, wurde es mir doch richtig kalt auf dem Schulhof und meine Finger taten mir zu Beginn der Schulstunde höllisch weh.
Was mir noch im Gedächnis ist, ist mein Cousin Dagobert. Der ging in die 8.Klasse und war meistens der Erste der nach mir auf den Schulhof kam. Vielleicht gingen bei denen die Uhren auch alle etwas vor 🙂
Aber ich war jedesmal froh, nicht mehr alleine zu sein.

Wenn ich am Mittag wieder bei Oma ankam, wartete sie natürlich schon mit dem Essen und nach den Hausaufgaben machten wir es uns gemütlich.

Zum „Gemütlichmachen“ gehörten auch die Stutenkerle, die mir unvergesslich bleiben.
Ich liebte Stutenkerle, besonders die Frischen. Jeder, der zu Besuch kam, wollte mir damals mit einem Stutenkerl eine Freude machen. Aber natürlich wurden sie gut eingeteilt. Oma legte sie für mich zurück.
Was ich dabei aber nie verstanden habe: Obwohl ich doch gerade einen frischgebackenen Stutenkerl bekam, durfte ich den nicht essen sondern sie sagte, „erst müssen die Alten weg“ Die wurden am Nachmittag in warme Milch eingeweicht und ich saß mit langen Zähnen davor.
Aber trotzdem war es gemütlich bei Oma. 🙂

Eines Tages sagte mir die Oma, dass das Christkind bereits da war. Es habe uns ein Baby gebracht und ich dürfe es mir mit ihr ansehen gehen.
Am Nachmittag machten wir uns also auf zum evangelischen Krankenhaus. Die Schwestern dort kannten mich noch, da meine Mutter ja alle Babys von dort holte.
Nach der Besuchszeit, die früher sehr streng eingehalten wurde, konnte man die Babys ansehen. Das heißt, man ging vor eine Tür mit einer Glasscheibe, stand dort zwischen vielen, wildfremden Leuten und unter „AH und OH“ bestaunten alle die Babys, die hinter der Scheibe hochgehalten wurden.
Welches genau jetzt meine neue kleine Schwester sein sollte, wusste ich natürlich nachher immer noch nicht. Sehr große Unterschiede zwischen den Babys konnte ich nicht entdecken.

Einige Zeit später kam meine Mutter zurück nach Hause. Und als wir dann wieder alle zusammen waren, stand im Wohnzimmer der Stubenwagen, in dem meine kleine Schwester schlummerte. Ich war richtig stolz, dass wir vom Christkind ein Schwesterchen bekommen hatten.

Was das Allerbeste war: Trotzdem ist das Christkind am Heilig Abend nicht an unserem Haus vorbeigeflogen. Es gab einen wunderschönen Weihnachtsbaum und wie in jedem Jahr wurden auch unsere Wünsche erfüllt.

🙂

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4 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  1. Egal wer –ich bin froh das ich in diese Familie hineingeboren wurde und so liebe Geschwister habe.
    Also hat mich das Christkind zu genau der richtigen Adresse gebracht.

  2. Ach, in manchen Gegenden ist es vielleicht der Esel, andere schwören auf den Storch, aber in deinem Fall bin ich sicher, es war das Christkind 😉

  3. schön,bis eben dachte ich, mich hätte der Esel im Galopp verloren.Ich weiß nicht mehr warum ,aber ich weiß noch sehr genau das mir das zu meiner Herkunft gesagt wurde.Da ist mir das Christkind lieber.

  4. Eine tolle Geschichte! Gibt es denn ein schöneres Geschenk als ein Baby? Vermutlich nicht…


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