Badetage

Wer die Beschreibung unserer Wohnung in der Heckstraße gelesen hat, wird bemerkt haben, es gab weder fließend warmes Wasser, noch ein Badezimmer Nur einen einzigen Wasserhahn in der Küche und unseren ganzen Stolz, die eigene Toilette.
Als wir klein waren hat meine Mutter uns also in der Küche mit kaltem Wasser gewaschen und am Wochenende wurde der große Einmachtopf auf den Gasherd gesetzt. Das war das Zeichen für ein besonderes Vergnügen. Denn dann kam die große Metallwanne zum Einsatz, in der wir gebadet wurden. Einer nach dem Anderen, immer im gleichen Wasser natürlich. Das heisst, es wurde aber nach jedem Kind etwas heißes Wasser nachgefüllt.
Für unsere noch ganz kleine Schwester wurde die Wanne nicht so voll gemacht. Anschließend durfte dann mein kleiner Bruder rein und am Ende ich.
Die Wanne stand immer in der Küche vor dem Spülstein und wir durften nicht so, wie wir es gerne getan hätten, richtig dolle rumplantschen. Dann hätte ja der ganze Fußboden unter Wasser gestanden. Aber etwas Gelegenheit, uns zu aalen hatten mein Bruder und ich, weil ja zunächst meine frisch gebadete kleine Schwester und danach auch mein Bruder, trockengerubbelt und angezogen werden mussten.
Aber wenn Mama zu uns an die Wanne kam, wurde es ernst. Mit einem Waschlappen und Seife rubbelte sie uns ab und das Allerschlimmste, sie wusch uns die Haare. Mit Schauma Shampoo 😉 Ich glaube, es gab auch gar keine andere Sorte. Ich weiss noch gut, es war eine Tortour, denn der Schaum kam in die Augen und brannte furchtbar. Am Schluß spülte sie uns den Kopf mit einem Topf Essigwasser nach, damit die Haare schön glänzen sollten.
Ab und zu ergab es sich auch, dass wir bei meiner Oma Klein gebadet wurden. Sie wohnte in der Hufergasse, ganz oben unter dem Dach und sie hatte eine größere Wanne als wir, weil sie ja nur Erwachsene waren. Besonders mein kleiner Bruder wurde von ihr oft in die Wanne gesteckt. Er war sowieso ihr erklärter Liebling, was nicht verwunderlich ist, denn Oma hatte ja zwei Söhne und kannte sich scheinbar besser mit Jungens aus, als mit Mädchen.

Aber es gab da natürlich auch noch die Badeanstalt unten in den Kellerräumen der Heckerschule.

die Badeanstalt


Dorthin gingen meine Mutter und mein Vater am Freitag Abend, denn da gab es richtig große Badewannen und auch Duschen. Und es kam später öfter vor, dass meine Mutter mich mitnahm und ich zu ihr in die Wanne durfte. Herrlich duftender Fichtennadelschaum umhüllte uns und die Luft war nebelig vom Wasserdampf. Überhaupt roch es in der Badeanstalt einfach herrlich.
Allerdings muss ich meine Mutter einmal in eine schrecklich peinliche Situation gebracht haben. Irgendwann, als ich noch sehr klein war, durfte ich mit ihr zur Badeanstalt gehen um weihnachtliche Sauberkeit zu erlangen. Und als wir dann in der uns zugeteilten Kabine waren, die ja nur durch eine Stellwand voneinander getrennt wurden, habe ich wohl wegen dem rauschenden Wasser ziemlich laut gesagt,
„Stimmt es Mama, wir baden heute extra, weil das Christkind kommt, ne?“
In den Nachbarkabinen machte sich Gelächter breit und meiner Mutter, die ja damals noch sehr jung war, muss das furchtbar peinlich gewesen sein. Jedenfalls hat sie es mir in der Vergangenheit sehr oft erzählt. Trotzdem hat sie mich später als ich etwas älter war, mit dorthin genommen.
Ob ich dann die Auflage hatte, den Mund zu halten, weiss ich heute nicht mehr 😉 Aber ich weiss, sie musste für mich nicht extra bezahlen, da wir ja zusammen in die Wanne gingen.

die Badepreise Anfang der 60er Jahre

Woran ich mich im Zusammenhang mit unserer Badeanstalt noch gut erinnere, ist, dass am Samstag wenn wir große Pause in der Schule hatten, aus den Kellerfenstern die Geräusche der prasselnden Duschen und der Duft nach Fichtennadeln entströmte. Gepaart mit dem Prusten und manchmal auch Gesängen der Werdener Bürger, die damals eifrig die Badeanstalt nutzten. Denn wie ich es schon einmal an anderer Stelle erwähnte…..Die wenigsten Leute hatten ein Bad und eine Toilette in ihrer Wohnung.

😉

Published in: on 23. Januar 2010 at 16:50  Comments (2)  
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als das Christkind uns eine kleine Schwester brachte

Die Vorweihnachtszeit war natürlich in jedem Jahr eine Zeit voller Vorfreude, Wünsche und Hoffnung. Was wird der Nikolaus sagen? Was mag das Christkind wohl bringen? War man artig genug gewesen?
Und natürlich bemühte ich mich, in den letzten Wochen vor Weihnachten auch, besonders gehorsam und lieb zu sein.

1957 war allerdings alles ganz anders, als in den Jahren davor.
In den letzten Wochen hatte ich oft Zucker für den Storch auf die Fensterbank gelegt und so, wie sich alle verhielten, konnte es gut sein, dass das Christkind uns in Stellvertretung ein Geschwisterchen bringen würde.

Eines Tages, Anfang Dezember, sollte ich zu Oma Reinicke, mein Bruder kam zu Oma Klein. Aus heutiger Sicht wäre es anders herum sinnvoller gewesen, weil die Oma Klein nur 3 Minuten von der Heckerschule entfernt in der Hufergase wohnte und von Oma Reinicke aus hatte ich einen mindestens halbstündigen Weg dorthin, aber vielleicht haben die Erwachsenen es auch so entschieden, weil ich viel lieber bei Oma Reinicke war.
Aber bei Oma Reinicke gingen die Uhren anders. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hatte eine Kuckucksuhr in der Küche, die immer zu schnell lief und jeden Tag aufgezogen werden musste. Gelegentlich blieb sie auch stehen und wurde dann nach dem Gefühl neu eingestellt. Das Radio wurde selten bis nie angemacht, weil es Strom kostete. Und ihren Wecker stellte Oma in Abstimmung mit der Kuckucksuhr. 😉
So kam es, dass ich jeden Morgen bei Schnee und Eis oft schon vor 6.00 zur Schule ging. Viel zu früh war ich dann dort und natürlich war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Die Schule fing ja auch erst um 8.00 an.
Auch wenn Oma dafür sorgte, dass ich jede Menge Zeugs anhatte, wurde es mir doch richtig kalt auf dem Schulhof und meine Finger taten mir zu Beginn der Schulstunde höllisch weh.
Was mir noch im Gedächnis ist, ist mein Cousin Dagobert. Der ging in die 8.Klasse und war meistens der Erste der nach mir auf den Schulhof kam. Vielleicht gingen bei denen die Uhren auch alle etwas vor 🙂
Aber ich war jedesmal froh, nicht mehr alleine zu sein.

Wenn ich am Mittag wieder bei Oma ankam, wartete sie natürlich schon mit dem Essen und nach den Hausaufgaben machten wir es uns gemütlich.

Zum „Gemütlichmachen“ gehörten auch die Stutenkerle, die mir unvergesslich bleiben.
Ich liebte Stutenkerle, besonders die Frischen. Jeder, der zu Besuch kam, wollte mir damals mit einem Stutenkerl eine Freude machen. Aber natürlich wurden sie gut eingeteilt. Oma legte sie für mich zurück.
Was ich dabei aber nie verstanden habe: Obwohl ich doch gerade einen frischgebackenen Stutenkerl bekam, durfte ich den nicht essen sondern sie sagte, „erst müssen die Alten weg“ Die wurden am Nachmittag in warme Milch eingeweicht und ich saß mit langen Zähnen davor.
Aber trotzdem war es gemütlich bei Oma. 🙂

Eines Tages sagte mir die Oma, dass das Christkind bereits da war. Es habe uns ein Baby gebracht und ich dürfe es mir mit ihr ansehen gehen.
Am Nachmittag machten wir uns also auf zum evangelischen Krankenhaus. Die Schwestern dort kannten mich noch, da meine Mutter ja alle Babys von dort holte.
Nach der Besuchszeit, die früher sehr streng eingehalten wurde, konnte man die Babys ansehen. Das heißt, man ging vor eine Tür mit einer Glasscheibe, stand dort zwischen vielen, wildfremden Leuten und unter „AH und OH“ bestaunten alle die Babys, die hinter der Scheibe hochgehalten wurden.
Welches genau jetzt meine neue kleine Schwester sein sollte, wusste ich natürlich nachher immer noch nicht. Sehr große Unterschiede zwischen den Babys konnte ich nicht entdecken.

Einige Zeit später kam meine Mutter zurück nach Hause. Und als wir dann wieder alle zusammen waren, stand im Wohnzimmer der Stubenwagen, in dem meine kleine Schwester schlummerte. Ich war richtig stolz, dass wir vom Christkind ein Schwesterchen bekommen hatten.

Was das Allerbeste war: Trotzdem ist das Christkind am Heilig Abend nicht an unserem Haus vorbeigeflogen. Es gab einen wunderschönen Weihnachtsbaum und wie in jedem Jahr wurden auch unsere Wünsche erfüllt.

🙂

Oma Reinicke

wie so häufig, nach getaner Arbeit lesen Oma und ich eine Zeitschrift

Ich bin nicht sicher, ob ich mit Worten beschreiben kann, wie wichtig meine Oma Reinicke für mich war.

Sie war in meinen Augen genau die Oma, die man als Kind haben sollte. Wenn ich mit ihr zusammen war, schien die Welt in Ordnung.
Als kleineres Kind, so bis zum Alter von ca 8 Jahren, war ich sehr häufig bei ihr. Manchmal sogar für einige Tage, es können auch Wochen gewesen sein.

Woran ich mich noch gut erinnere war, dass ich oft erst einmal geweint habe, wenn meine Mutter mich dort hin brachte. Aber zu deren Ärger habe ich auch drei Tage geheult, wenn ich dann wieder nach Hause musste.

Geweint habe ich, weil mir mein kleiner Bruder fehlte, meine Spielsachen, mein Bett und mein Teddy. Ich kann heute gar nicht verstehen, warum ich den nie mitnehmen konnte.

Als Ersatz für den Teddy gab es bei Oma ein selbstgestricktes Schaf. Damit bin ich am Abend eingeschlafen – und mit dem Ticken ihrer Kuckucksuhr, die immer falsch lief.

Oma Reinicke, das ist der Duft von Phlox und Pfingstrosen, blühenden Obstbäumen und reifen Erdbeeren.
Noch heute kommen die Erinnerungen an meine Oma hoch, wenn der Phlox in meinem eigenen Garten blüht. Dann habe ich genau die Stellen in ihrem riesigen Garten vor Augen, an denen sich diese Stauden befanden.

Ebenso ergeht es mir mit den Pfingstrosen. Der Duft von Pfingstrosen erinnert mich an das Betreten ihrer Wohnküche nach einem Spaziergang zum Bergfriedhof. Dann umhüllte uns der Duft der Pfingstrosen, die sie mit fedrigem Grün auf dem Tisch stehen hatte.

Überhaupt gibt es sehr viele Gerüche, die bis heute eine Verbindung an Kindheit und Oma in mir herstellen.

4711 zum Beispiel. Aus ihrem Schlafzimmerschrank entströmte immer dieser leichte Duft. Auch wenn ich diese Marke heute nicht benutze, komme ich gelegentlich nicht umhin, wenigstens mal ein Stück 4711 Seife zu kaufen um auf diese Art meinen Erinnerungen Nahrung zu geben.

Es ist auch noch ein anderer Geruch lebendig, auf den ich leider heute nicht mehr stoße. Das ist der Geruch, beim Betreten ihres Hauses. Es hatte eine Hanglage und wenn man es betrat, roch es aus dem Keller nach Äpfeln und Kohlen – und manchmal ein wenig nach Wein, den sie aus den Mengen an Obst aus ihrem Garten selbst herstellte.

Nach Wein, oder besser nach Most, roch es im Herbst auch in ihrer Küche. Hinter dem großen Ohrensessel glucksten dann zwei große, bauchige Korbflaschen vor sich hin. Sie hatten einen merkwürdigen Glasaufsatz durch den vermutlich die Gase entweichen konnten, die sich durch den Gärvorgang bildeten.

Merkwürdig, dass die Erinnerungen an meine Oma so sehr mit diesen zahlreichen Gerüchen verbunden sind, aber sie alle bedeuten für mich etwas Gutes, Vertrautes, Heimeliges.

Meine Kindheitserinnerungen im Zusammenhang mit Oma Reinicke sind durchweg alle positiv, selbst die Beinahe-Tracht Prügel mit der Klopppeitsche, die sie hinter dem Handtuchhalter hängen hatte. Das hört sich aber schlimmer an, als es war, denn die einzige Tracht, die ich mal kriegen sollte, war etwas, das ich später in meiner Erinnerung immer lustig fand. Obwohl es damals vielleicht sogar Ernst war.

Ich war wohl frech gewesen und meine Oma wollte mich bestrafen. Sie holte die Klopppeitsche hinterm Handtuchhalter hervor und ich war, schwupps, um den Küchentisch gelaufen, damit sie mich nicht erwischt. Oma hinter mir her… immer rund um den Tisch herum und ich bin bis heute nicht sicher, ob sie wirklich böse war.

Damals habe ich aber Schiss gehabt, das ist sicher, denn als die Gelegenheit günstig war entwischte ich durch die Küchentür, durch den Flur und raus, ab in den Garten. Die Oma rannte hinter mir her und immer noch hatte sie das Ding in der Hand und fuchtelte damit.
Ich weiß nicht wie lange wir gelaufen sind, glücklicherweise hat sie irgendwann gesagt, jetzt sei es genug, ich soll zurück kommen, sie wird mir nichts tun.
So haben wir uns dann wieder vertragen.

Das Gute an der Oma war, egal was ich machte, sie hat mich nie bei meinen Eltern verpetzt, damit ich nicht später zu Hause eine nachträgliche Strafe bekomme.

Zur Oma hatte ich unbegrenztes Vertrauen. Mit jedem Kummer und mit Allem was ich erlebte konnte ich zu ihr kommen. Sie hatte immer ein offenes Ohr, Verständnis und Rat. Egal ob es schlechte Schulnoten, Ärger mit den Eltern oder die erste Liebe war.

Eine Kindheit ohne Oma Reinicke kann ich mir nicht vorstellen. Sie ist für mich genau die Oma, wie ich sie gerne für meine eigenen Kinder gehabt hätte.

🙂

Published in: on 17. November 2009 at 16:50  Kommentar verfassen  
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Allerheiligen

Als Kind hatte dieser Tag eine ganz besondere Faszination für mich.  Und ich habe mich immer schon Tage vorher darauf gefreut.

Am späten Nachmittag ging meine Oma,  solange sie noch nicht im Altersheim war, jedes Jahr zu Allerheiligen mit mir auf den Bergfriedhof.

Zuerst nahmen wir an der Andacht teil, die dort vor dem großen Kreuz am Hauptweg abgehalten wurde. Meist ging das für meine Begriffe ziemlich lange und dazu war es oft auch lausekalt.

Nach der Andacht besuchten wir die Gräber meines Opas und meiner kleinen Schwester Petra. Meine Oma hatte dann immer einige kleine Lichter, die in farbigen Kunststoffbechern aufgestellt wurden, dabei.  Sie ordnete sie  auf den Gräbern an und entzündete die Kerzen.

Inzwischen war es dann  dunkel geworden.  Ich gruselte mich immer ein wenig, aber meine Oma war ja bei mir und hielt mich fest an der Hand. Sie kannte sich auf dem Friedhof, der sehr groß und unübersichtlich erschien, gut aus. Und das Schönste war, dass auf allen Gräbern die Lämpchen brannten.

Der Geruch der Kerzen vermischte sich mit dem von Tannengrün,  Herbst und Vergänglichkeit.

Wir besuchten nicht nur die Gräber von Opa und Petra, sondern auch einige andere, von Menschen, die ich nicht kannte, die aber  meiner Oma wichtig waren. An manchen Gräbern verweilten wir zu einem kurzen Gebet.

An keinem anderen Tag im Jahr habe ich so viele Leute auf dem Friedhof erlebt. Es war eine Stimmung, die man nicht beschreiben kann und wie ich sie auch später nie wieder an diesem Tag auf einem Friedhof  empfunden habe.

Aber das liegt wohl daran, dass in den späteren Jahren meine Oma fehlte.

 

Published in: on 1. November 2009 at 16:50  Comments (3)  
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