Sankt Martin

Mit dem Martinszug begann für mich als Kind in jedem Jahr die Vorweihnachtszeit.

Sicher habe ich ihn aber anders empfunden, als die meisten anderen Kinder. Das hatte damit zu tun, dass unser Vater ja ein sehr aktives Mitglied im Werdener Spielmannszug war.
St. Martin begann mit einer großen Putzaktion des jeweilig aktuellen Instrumentes. Manchmal spielte Papa die Lyra, was eine Menge Arbeit bedeutete, mal waren es die Becken, die blitzen und blinken mussten.

Wir Kinder hatten im Kindergarten extra für diesen Tag mit Hilfe von Schwester Marie Laternen gebastelt. Aus schwarzem Karton wurden Motive ausgeschnitten und mit buntem Transparentpapier hinterlegt. Auf dem Boden wurde dann eine Weihnachtsbaumkerze befestigt und zu Hause hatte meine Mutter einen Holzstock, an dem sie aufgehängt wurde.
Wenn es am Martinstag dunkel wurde, zogen wir mit Mama hinter den Werdener-Spielleuten und dem Stankt Martin auf seinem riesigen Pferd, durch die Werdener Straßen. Stolz trugen wir unsere Laternen und sangen mit den anderen Leuten die vertrauten Lieder, die von den Musikern gespielt wurden. „Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind….“ „Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir….“ und immer auch das Lied „Nikolaus komm in unser Haus….“

Weiter hintem im Martinszug zog ein weiterer Spielmannszug mit. Die Ruhrperle. Die beiden Spielmannszüge spielten immer im Wechsel, so, dass man ohne Pause von einem zum nächsten Lied kam.

Der Martinszug endete auf dem Hof des Werdener Gymnasiums und dort wurden dann auch die Martinsgänse verlost, die in einem hölzernen Käfig im Zug mit gezogen wurden, nichtsahnend, dass sie bald als Martinsgans auf den Tellern der glücklichen Gewinner landen würden.

Auf dem Schulhof wurde auch das Martinslied noch einmal gesungen und danach gingen wir voller Erwartung mit unserer Mutter nach Hause.
Ob der Martin wohl bei uns war? Ja, er war da, denn auf unseren Stühlen saß für jedes Kind ein großer Stutenkerl. Mit einer Tonpfeife!

Dieser erste Stutenkerl des Jahres gehörte zum Sankt Martin einfach dazu. Und er schmeckte himmlisch…naja, er kam ja gewissermaßen auch aus dem Himmel, denn Martin hatte ihn ja gebracht. Als Vorbote vom Nikolaus, der ja einige Wochen später auch wieder einen Stutenkerl brachte.

Und am Allerbesten war, dass man anfing sich auf das Christkind zu freuen. Auch wenn die Zeit bis dahin immer noch endlos lang erschien.

🙂

Published in: on 5. Dezember 2009 at 16:50  Comments (1)  
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Der jüdische Friedhof auf dem Pastoratsberg

Jüdischer Friedhof Werden im Apirl2008
Zu meinen Kindheitserinnerungen gehört auch der jüdische Friedhof auf dem Weg zur „Alten Burg“.

Ich bin überzeugt, er war es, der im besonderen Maße mein Interesse am Leben der Juden in Deutschland geweckt hat.

Dieses Bild, welches mir von dem Heimatfotographen Wolfgang Pomierski freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, hat mich gedanklich wieder einmal auf einen Spaziergang geschickt.

Als ich noch kleiner war, fand oben auf dem Pastoratsberg, an der alten Burg in dem gleichnahmigen Lokal das Sommer- und Kinderfest der Werdener Spielleute statt. Unser Vater war ein sehr aktiver Spielmann und natürlich gingen wir Alle zu diesem Fest. Daher war mir als Kind der Pastoratsberg vertraut.

Später, als ich dann mit meinen Geschwistern die Gegend in und um Werden erkundete, sind wir natürlich auch in Richtung alte Burg gewandert. Schon allein wegen der Ruine dort oben.

Es gab verschiedene Wege, aber der Schönste war, den Klemensborn hoch, dann an der Kreuzung Kellerstraße-Ringstraße rechts den steilen Ringstraßenberg hoch, links die ummauerte Rundtreppe rauf und dann am „Ruhrblick“ kurz Halt gemacht. Das war eine Terrasse mit einigen Tischen und Stühlen und einer Art Kiosk, an dem man Getränke und Süssigkeiten kaufen konnte.
Von der Terasse aus hatte man einen weiten Blick über das Ruhrtal, auf den Plattenwald und auf Werden. Ging man hinter dem „Ruhrblick“ nach links, kam man zur Jugendherberge und wenn man sich rechts hielt, ging es in Richtung „Alte Burg“

Natürlich blieben wir nicht immer auf dem Weg, sondern erkundeten auch das, was rechts und links am Wege lag.
Besonders Interesse weckte da natürlich auch ein halb umgestürzter Zaun der nur noch teilweise erhalten war. Irgendwann haben wir uns durch das Unterholz dorthin getraut und entdeckt, dass dort lauter Grabsteine standen. Mitten im Wald!
Wir vermuteten, dass es sich hier um einen sehr, sehr alten vergessenen Friedhof handelt. Er musste sehr alt sein, hunderte von Jahren, denn die Schrift auf den Grabsteinen, soweit man sie erkennen konnte, war aus einer anderen Zeit. Wie hätten wir wissen sollen, dass es sich um hebräische Schriftzeichen handelt und dies ein jüdischer Friedhof ist?
Wir fühlten uns wie Pioniere, die eine wichtige Entdeckung gemacht hatten.
So gut wie auf diesem Bild aus dem Jahr 2008 konnte man vor ca 50 Jahren die einzelnen Grabstellen nicht erkennen.
Das Gelände war von Efeu und Brombeergestrüpp überwuchert und viele kleine Bäumchen und Gebüsche hatten sich dort ausgesät.
Die meisten Grabsteine waren umgestürzt, andere so verwittert oder vermoost, dass die Inschriften kaum erkennbar waren. Geheimnisvoll und ein wenig gruselig war es dort.

Ich kann leider nicht mehr sagen, wann und wie ich erfahren habe, dass dieser Friedhof gar nicht soo schrecklich alt ist und dort die Gräber jüdischer Bürger lagen, die ihren eigenen Friedhof hatten.

Aber wie das so ist mit den Dingen, um die ein Geheimnis gemacht wird. Man wird neugierig und macht sich selbst auf die Suche nach Wahrheiten.

Allerdings war es wohl typisch für diese Zeit, dass man auf Fragen, die in diese Richtung zielten keine, oder ausweichende Antworten erhielt.
Selbst unsere Geschichtslehrerin erzählte uns zwar unter Tränen von den Carepaketen der Amerikaner, aber nie etwas über Deportationen und Konzentrationslager.

Vom Volk der Juden hörte man allenfalls im Kindergottesdienst. Und da auch nur das, was in der Bibel geschrieben steht.

Vielleicht waren viele Erwachsene durch die Kriegsjahre und das Geschehen in der Hitlerzeit so traumatisiert, dass sie diese Greuel vor uns Kindern tabuisierten. Sie waren einfach noch zu nah dran.

Published in: on 15. November 2009 at 16:50  Comments (2)  
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Wahlen in den 50er Jahren

In wenigen Tagen sind wieder Bundestagswahlen…

Ich erinnere  mich noch gut zurück, an die Zeit, als der Kassierer der Partei, der mein Vater angehörte, noch jeden Monat persönlich  die Mitgliedsbeiträge kassierte.

Er kam meistens am Sonntagvormittag und ich weiß, meine Mutter hatte das Geld für ihn immer schon bereitliegen. Sie bekam dann eine Marke, die wie eine Rabattmarke aussah und die sie gleich in das Parteibuch einklebte.

Aber ich glaube, anders als beim Rabattmarkenbuch bekam sie dafür wenn es voll war nichts zurück. 😉

Dann gab es auch noch Mitgliederversammlungen. Das habe ich aber nicht so sehr als etwas Außergewöhnliches in Erinnerung, denn mein Vater war gesellschaftlich sehr aktiv. Da hatte  immer mal ein Verein irgendeine Sitzung wegen der er abwesend war.

Was ich aber im Zusammenhang mit Wahlen in Erinnerung habe, war, dass mein Vater an den Wahltagen schon früh am Morgen fort musste. Er war nämlich für seine Partei als Wahlhelfer aufgestellt und musste daher zusammen mit Anderen in irgendeinem Wahllokal die Stimmzettel ausgeben und nach 18.00 diese dann auszählen.

Als ich etwas älter war und durfte ich am Abend mit meiner Mutter dort sein und abwarten, wie das Ergebnis ausfällt.

Besonders gut erinnere ich mich an eine Wahl, als Grete Rudoll als Bundestagsabgeordnete bestätigt wurde. Sie war eine bekannte Persönlichkeit, kein bischen eingebildet und sie war immer sehr freundlich, auch oder besonders zu uns Kindern.

Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was sie als Bundestagsabgeordnete  macht, war mir aber klar, dass es etwas sehr Wichtiges sein musste.

Alle Wahlhelfer trafen sich nach der Auszählung mit ihr am Porthofplatz in der Gaststätte Kimmeskamp. Ich durfte auch mit.  An dem Abend ging es richtig hoch her. Alle lagen sich in den Armen und freuten sich, dass sie es geschafft hatten.

Und ich freute mich natürlich mit. Besonders, weil ich dabei sein durfte und weil ich einmal nicht um 18.00 ins Bett musste 😉

Was ich mich heute frage….

Hatten die Menschen früher mehr Interesse an Politik? Oder hatten Politiker eher mehr Interesse an den Menschen, von denen sie gewählt wurden?

🙂

Published in: on 22. September 2009 at 16:50  Kommentar verfassen  
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